Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz


Von:  LIV Nordrhein / Guido Gormanns, RA Martin Gottsmann / 09.12.2020 / 11:56


Wo können Entschädigungen in NRW beantragt werden und was ist dabei zu beachten?


Quarantäne ist eine Schutzmaßnahme nach dem Infektionsschutzgesetz. Wer in Quarantäne muss, ist in der Regel (noch) nicht krank. Aber: Der Arbeitnehmer steht im Quarantänefall nicht mittellos da. Es besteht ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 56).
Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet , diesen Entschädigungsanspruch abzuwickeln. D.h. der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer den Lohn und erhält später von der zuständigen Stelle / Behörde die Entschädigung. Näheres siehe unten unter Nr. 5.  
Wer in amtlich angeordnete Quarantäne muss (individueller Bescheid des Gesundheitsamtes) kann in der Regel Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz erhalten. Dabei kommt es aber immer wieder zu Verwirrung und Fragestellungen insbesondere zum § 616 BGB, über die wir nachfolgend einen kurzen Ãœberblick geben wollen: Was besagt § 616 BGB?  
"Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt."
D.h. Der Arbeitgeber muss für die "nicht erhebliche Zeit" den Lohn weiterbezahlen.
§ 616 BGB kann im Arbeitsvertrag oder in einem Tarifvertrag ausgeschlossen (bzw. abbedungen) werden. In vielen Vertragsmustern ist das bereits Standard. Allerdings war bis zur Coronakrise diese Regelung wenig relevant und ist erst jetzt zu größerer Bedeutung und Bekanntheit gekommen.
Wann gilt § 616 oder eben nicht? Wenn § 616 BGB nicht gilt, so muss das bei der Beantragung der Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz angegeben werden. werden. Ob dazu auch Nachweise beizubringen sind, z.B. mittels Vorlage der Kopie des Arbeitsvertrags oder Auszug aus dem einschlägigen Tarifvertrag, ist den derzeitigen Antragsformularen in NRW nicht zu entnehmen.
Zwingend erforderlich bei der Antragstellung sind die Lohnbescheinigungen der 2 Monate vor dem Verdienstausfall sowie der Monate des Verdienstausfalls. Weitere Nachweise sind optional aber können die Bearbeitung des Antrags unterstützen, z.B. die behördliche Anordnung zum Tätigkeitsverbot bzw. der Absonderung.

1.) Gewerbliche Arbeitnehmer (Gesellen, Helfer, Reinigungskräfte)
Für gewerbliche Arbeitnehmer gilt der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk (RTV). Hier ist in § 12 Nr.1 die Geltung des § 616 BGB ausgeschlossen. Der RTV ist allgemeinverbindlich, d.h. er gilt auch, wenn kein schriftlicher Arbeitsvertrag vorliegt - quasi wie ein Gesetz für alle Maler-Lackierer-Betriebe unabhängig von einer Innungs- oder Verbandsmitgliedschaft.

2.) Auszubildende
Gleichgültig ob Auszubildende im gewerblichen Bereich oder im Büro. Für Azubis gilt § 19 BBiG: Danach muss der Ausbildungsbetrieb bis zu 6 Wochen die Ausbildungsvergütung weiterbezahlen und bekommt daher für diesen Zeitraum keine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz. Denkbar wäre das erst ab der 7 Woche. So lange dauert jedoch kaum eine Quarantäne.

3.) Angestellte (Büromitarbeiter, Meister, Verkäufer im Ladengeschäft etc.)
Diese Mitarbeiter fallen nicht unter den Rahmentarifvertrag, damit ist § 616 BGB tariflich nicht ausgeschlossen. Eine eher seltene Ausnahme kann es geben, wenn das konkrete Arbeitsverhältnis schon vor 2004 bestand und der damalige RTV für Angestellte im Arbeitsvertrag verbindlich vereinbart war. Das ist aber kaum der Fall.
Bei Angestellten muss man in den schriftlichen Arbeitsvertrag schauen, ob hier § 616 ausgeschlossen ist. Hier kursieren verschiedene Muster aus verschiedenen Quellen, so dass man das nicht pauschal beantworten kann.

4.) Minijobber
Bei gewerblichen Minijobbern greift aufgrund der Allgemeinverbindlichkeit des RTV die oben genannten Regelung im RTV § 12 Nr.1. § 616 ist damit ausgeschlossen.
Bei anderem Minijobbern (Büroaushilfe und Mitarbeiter, die nicht unter den RTV für gewerbliche Arbeitnehmer fallen kommt es auf den Arbeitsvertrag an. Im Musterarbeitsvertrag der Minijob-Zentrale ist § 616 BGB jedenfalls nicht ausgeschlossen!

5.) Wo beantrage ich die Entschädigung?
In Nordrhein-Westfalen sind die Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) für die Entschädigung je nach dem Sitz der Betriebsstätte zuständig.
Voraussetzung ist dafür aber, dass die Quarantäne vom Gesundheitsamt aus angeordnet wurde.
Eine "Entschädigung" setzt voraus, dass der Arbeitgeber zuerst mit Lohnzahlung eingesprungen ist. Das führt zu dem Problem, dass der Arbeitgeber zwar Lohn bezahlt (obwohl das arbeitsrechtlich vielleicht unklar ist oder er sogar gar nicht muss) und er dann den Bescheid zur Entschädigung abwarten muss. Damit trägt der Arbeitgeber faktisch das Risiko, dass er nicht alle Zahlungen über die Entschädigung zurück erstattet erhält. Das Risiko muss er aber eingehen, um den Mitarbeiter zu halten. Es ist dem Mitarbeiter, der seinen Lebensunterhalt und Miete bestreiten muss, wohl kaum zumutbar, auf eigene Kosten zuhause zu bleiben - immerhin einen halben Monat. Faktisch "beißt" sich hier das Arbeitsrecht mit dem Infektionsschutzrecht.
Eine Verlinkung zu den Internetseiten der Landschaftsverbände für den Antrag finden Sie nachstehend.
Landschaftsverband Rheinland
Landschaftsverband Westfalen Lippe
6.) Wer kann Entschädigung bekommen?
Sowohl abhängig Beschäftigte (Mitarbeiter), als auch Selbständige können eine Entschädigung beantragen. Es gibt hierfür allerdings unterschiedliche Formulare.
Ebenso kann für die notwendige Kinderbetreuung (Kinder bis zum 12. Lebensjahr) eine Entschädigung in Frage kommen, wenn anders eine Betreuung des Kindes nicht möglich ist.
In folgenden Fällen gibt es keine Entschädigung: • Kein Anspruch besteht z.B. bei vorher oder zeitgleich eintretender Arbeitsunfähigkeit oder bei Urlaub.
• Bei einer freiwilligen Quarantäne
• Eine Entschädigung nach § 56 IfSG erhält nicht, wer durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet eine Absonderung (Quarantäne) hätte vermeiden können. Eine Reise ist vermeidbar, wenn zum Zeitpunkt der Abreise keine zwingenden und unaufschiebbaren Gründe für die Reise vorlagen. Ob eine Reise vermeidbar war, bedarf der Prüfung im Einzelfall.
• Nur Kinder sind in Quarantäne (z.B. Verbreitung durch Kindergarten) und die Eltern sind nicht zur Beaufsichtigung / Betreuung notwendig.
• für Auszubildende, die aus einem in ihrer Person liegenden Grund unverschuldet verhindert sind, ihre Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen (gemäß § 19 Absatz 1 Ziffer 2 Buchstabe b BBiG)
• bei fehlender Tarifregelung: für eine relativ unerhebliche Zeit des Tätigkeitsverbotes (nach § 616 BGB) – ist nach RTV Maler- u. Lackierer für gewerbliche Arbeitnehmer aber ausgeschlossen, kann aber für Bürokräfte und Meister evtl. gelten.
• bei anderweitigem, entlohntem Einsatz im Betrieb (z.B. Homeoffice möglich)
• bei vertraglichen oder tarifrechtlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers zur Lohnfortzahlung (i.d.R. nicht der Fall)

Der Antrag auf Entschädigung muss innerhalb von 12 Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder dem Ende der Absonderung gestellt werden.

Folgende Nachweise muss der Arbeitgeber mit der Antragstellung einreichen:
•    Lohnnachweise der beiden Monate vor Verdienstausfall je Arbeitnehmer*in
•    Lohnnachweise für die Monate, für welche die Erstattung geltend gemacht wird, je Arbeitnehmer*in

Falls erforderlich, werden weitere Nachweise im Rahmen der Bearbeitung durch die zuständige Stelle angefordert.


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