Gekommen um zu bleiben?! Wie der Start in die Ausbildung gelingt


Von:  BV - Simone Diehl / 31.08.2023 / 09:11


Fast 40 Prozent der im Maler- und Lackiererhandwerk geschlossenen Ausbildungsverträge werden vorzeitig gelöst. Zwei Drittel davon sogar im ersten Jahr. Natürlich kehrt nicht jeder, der seine Ausbildung abbricht, auch dem Beruf den Rücken. Viele von ihnen wechseln einfach den Betrieb. So oder so führt das aber zu einer Menge Ärger und Frustration auf beiden Seiten. Ob ein Ausbildungsverhältnis zu einer Erfolgsgeschichte wird, hängt von vielen Faktoren ab.


Zunächst muss eine grundsätzliche Eignung für den Beruf gegeben sein. Wenn diese Basis stimmt, entscheiden oft die ersten Wochen der Zusammenarbeit über den weiteren Ausbildungsverlauf. Deshalb legen große Unternehmen immer mehr Wert auf die Gestaltung des Ausbildungsstarts. Was aber kann ein kleiner oder mittelgroßer Handwerksbetrieb tun, wenn keine finanziellen oder personellen Mittel dafür bereitstehen? Vielleicht mehr als gedacht: Denn auch wenn nicht jeder Abbruch oder Wechsel vermeidbar ist, sind es häufig kleine Dinge, die den Ausschlag geben.

Beste Voraussetzungen: Handwerk macht glücklich

Eine erfreuliche Erkenntnis ist, dass Handwerker und Handwerkerinnen in der Regel äußerst zufrieden mit ihrem Beruf sind. 92 Prozent empfinden ihre Arbeit als sinnhaft und 87 Prozent sind stolz auf ihre Tätigkeit. Im Vergleich: So geht es nur rund 60 – 70 Prozent der Gesamtbevölkerung. 80 Prozent der Handwerker geben zudem an, glücklich mit ihrer Arbeit zu sein, im Gegensatz zu 55 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Handwerk trifft Generation Z

Wenn man sich anschaut, was sich die Generation Z von einem Beruf wünscht, fallen viele Parallelen auf. Zur Generation Z zählen alle, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind. Viele dieser jungen Leute suchen nach einer Arbeit, die ihren Werten entspricht. Ihnen ist es wichtig, dass sie etwas erschaffen und sich selbst verwirklichen können. Sie wollen eine sinnhafte Tätigkeit ausüben, mit der sie die Welt zu einem besseren Ort zu machen können. Da gibt es viele Anknüpfungspunkte im Maler- und Lackiererhandwerk.

Die Generation Z bringt aber neue Denk- und Verhaltensweisen mit. Sie stellt höhere Ansprüche, als das bei geburtenstärkeren Jahrgängen der Fall war. Der Grund: Die jungen Menschen wissen, wie gefragt sie auf dem Arbeitsmarkt sind. Sie erwarten von Beginn an Gleichberechtigung, legen großen Wert auf Flexibilität und Individualität. Dann sind sie auch bereit, Verantwortung zu übernehmen und konstruktive Kritik anzunehmen.

Was wünschen sich die Auszubildenden von heute?

Keine Frage, auch in dieser Generation sind nicht alle Menschen gleich. Aber es gibt einiges, was die Gruppe der Berufseinsteiger auszeichnet.

Sie wollen von Beginn an als gleichberechtigte Mitarbeiter gesehen und entsprechend behandelt werden. Auch unabhängig davon, was sie schon können. Sie fordern einen eigenen Handlungsspielraum, wollen mitdenken und mitgestalten. Regeln und Vorschriften müssen sie verstehen, bevor sie ihnen folgen. Das bedeutet auch, dass sie im Zweifel Konflikte nicht scheuen.

Der Generation Z ist es außerdem wichtig, neue Impulse zu bekommen. Dabei geht es nicht allein um Fachwissen. Sie möchten auch Teamfähigkeit, Kommunikationsstärke und Kritikfähigkeit erlernen. Außerdem hat sich das Verständnis von Führung stark gewandelt. Während Vertrauen früher durch Autorität gebildet wurde, entsteht es heute durch Augenhöhe, Wertschätzung und Einfühlungsvermögen. Für die Generation Z ist „starke Führung“ gleichbedeutend mit starker Unterstützung. Sie schätzen Ausbilder, auf die sie sich auch in schwierigen Situationen verlassen können. Sie merken, ob ein Vorgesetzter echtes Interesse an ihnen hat. Und das nicht nur zu besonderen Anlässen, sondern immer. Dabei muss es sich nicht um ausführliche Feedbackgespräche handeln. Ernsthaft gemeinte Nachfragen, wie „Hast du heute Spaß an deiner Arbeit gehabt?“ oder „Was ist dir leicht gefallen und was schwer?“, “Willst du das alleine ausprobieren oder soll ich es dir nochmal zeigen?” machen einen großen Unterschied. Sie führen dazu, dass sich die Azubis wertgeschätzt fühlen.

Ganz generell gilt: Betriebe, in denen ein gutes Miteinander und freundlicher Umgang herrschen, haben klare Vorteile im Wettbewerb um den besten Nachwuchs.

Fundierte Ausbildung ist eine Investition in die Zukunft unseres Handwerks. Der Fachkräftemangel wird immer spürbarer, auf der anderen Seite steigen die Anforderungen an Fachleute auf den Baustellen, zum Beispiel durch Digitalisierung und Robotik. Den Nachwuchs darauf vorzubereiten und ihm dabei die Freude an unserem tollen Beruf zu vermitteln, gelingt vielen Ausbildern und Ausbilderinnen schon hervorragend. Als Branche dürfen wir in unseren Bemühungen nicht nachlassen. Deshalb freue ich mich über die vielen Betriebe, die sich der Herausforderung Ausbildung mit so viel Engagement und Kompetenz stellen. Sie leisten einen kaum ermessbaren Beitrag zur Sicherung unserer Branche.

Holger Jentz, Vorsitzender des Bildungsausschusses

Was können Betriebe konkret tun?

Um einen erfolgreichen Ausbildungsstart sicherzustellen, müssen Betriebe gar nicht so viel tun. Viele kleine Maßnahmen lassen sich einfach und schnell umsetzen, machen aber einen großen Unterschied.

Vor Ausbildungsbeginn:

Vor dem Start in die Ausbildung sollten Betriebe einen losen Kontakt zum neuen Azubi halten. Schon eine kurze SMS-Nachricht vor dem „großen“ Tag, in der sich der Chef auf den Azubi freut, stärkt die Bindung.

Auch intern sollte die Ankunft des Azubis geplant werden. So sollte das Team informiert werden. Und alle Materialien, wie Dokumente, Arbeitskleidung, Werkzeug, Namensschild und Berichtsheft, vorbereitet sein. Dazu gehört auch, dass der Ausbildungsbetrieb eine feste Ansprechperson für den neuen Azubi festlegt. Dieser sollte sich in den ersten Wochen um ihn kümmern – und dabei Spaß an der Aufgabe haben.

Bei Ausbildungsstart:

Für den Azubi ist der erste Arbeitstag im besten Fall der Start in ein erfülltes Berufsleben! Ein Ereignis, mit dem ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Das sollte entsprechend gewürdigt werden. Am ersten Tag schafft eine zwanglose Begrüßungsrunde mit allen Mitarbeitern eine gute Stimmung. Im Anschluss empfiehlt sich ein Betriebsrundgang mit dem Chef und dem Ausbilder. Auch sollte der Azubi freundlich und klar über wichtige Regelungen und Erwartungen informiert werden. Dazu gehören Arbeitszeiten, Pausen und Zuständigkeiten. Hier sollte der Vorgesetzte unbedingt Zeit für Rückfragen einräumen und auf diese offen eingehen. Ein gut durchdachter betrieblicher Ausbildungsplan schafft Sicherheit auf beiden Seiten.

In den ersten Wochen:

Gibt es für den Anfang eine Baustelle, auf der es viel zu sehen gibt und verschiedene Dinge ausprobiert werden können? Schnelle Lern- und Erfolgserlebnisse sind in der Anfangszeit wichtig. Abwechslungsreiche Tätigkeiten wecken und halten das Interesse der Auszubildenden. Der Ausbilder sollte sich immer wieder bemühen, herauszufinden, wie es dem Auszubildenden geht:  “Wie läuft es in der Schule? Kommst Du gut mit?” Verbesserungsmöglichkeiten sollten sachlich, unaufgeregt und unter vier Augen angesprochen werden. Ganz wichtig dabei: der Azubi muss reagieren und Fragen stellen dürfen.

Und darüber hinaus?

Lob tut gut - auch für kleine Erfolge! Das führt dazu, dass der Auszubildende gerne Leistung bringt und bereit ist, ab und an eine Extrameile zu gehen. Auch Kritikfähigkeit ist wichtig. Ausbilder sollten offen für Feedback des Azubis sein und Kritik ernst nehmen. Und wenn die Kritik unsachlich formuliert wird? Besser nicht gleich zurückschießen - lieber durchatmen und dann klar sagen, wie man sich Kritik in Zukunft wünscht. Ausbilder sind Vorbilder, auch und gerade in schwierigen Situationen!

Wenn Ausbildungsbetriebe mehrere Azubis haben, sollten diese gleichwertig behandelt werden. Selbst wenn die Leistungen es nicht sind. Das heißt natürlich nicht, dass gute Mitarbeiter nicht gefördert werden sollten – im Gegenteil. Aber jedem Azubi steht der gleiche Raum für Anleitung und Feedback zu. Und wir erinnern uns: Junge Menschen möchten gerne Verantwortung übernehmen. Deshalb sollten Betriebe bereits frühzeitig geeignete Aufgaben übertragen. Azubis sollten die Möglichkeit haben, daran zu wachsen. Gute Leistungen sollten dann mit der Aussicht auf Übernahme und Weiterbildung belohnt werden.

Auch wenn so viel Rücksichtnahme, Einfühlung und Wertschätzung vielleicht übertrieben erscheint, sollten Ausbilder ihren Führungsstil dahingehend überprüfen. Denn nur so kann das Maler- und Lackiererhandwerk junge Menschen gewinnen, langfristig halten und von ihnen profitieren.

Und wenn es doch nicht klappt?

Keine Frage – nicht jedes Ausbildungsverhältnis ist durch guten Willen und Wertschätzung zu retten. Manche Probleme sind auch mit guter Kommunikation nicht zu lösen. In diesen Fällen bieten Handwerksorganisationen verschiedene Unterstützungsangebote. Was aber auch zur Wahrheit gehört: Manchmal passt es einfach nicht. Und manchmal sollten junge Leute zu ihrem eigenen Vorteil ihre Berufswahl nochmal überdenken. In diesem Fall sollten Sie Ihren Eindruck klar und deutlich kommunizieren. Suchen Sie sich ggf. Unterstützung bei Kammer und Innung, wenn sich eine Vertragsauflösung nicht vermeiden lässt. Und verlieren Sie nicht die Hoffnung für das nächste Ausbildungsjahr. Denn auch wenn Ausbildung herausfordernd und sogar anstrengend sein kann – es gibt es keine Alternative dazu!


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