Material der Zukunft: Das rollengedruckte Lautsprecherpapier der TU Chemnitz


Von:  Bundesverband - Christian Müller / 29.06.2021 / 15:18


CHEMNITZ. Papier wurde über Jahrtausende hinweg als Medium der verschriftlichten Information genutzt. Der Vorteil des Materials liegt auf der Hand: Papier ist flach, leicht, günstig und gut transportierbar. Mit mehr als 400 Millionen Tonnen hat es mittlerweile ein gigantisches Produktionsvolumen auf dem Weltmarkt erreicht und somit eine Reichweite generiert, die über die alltägliche Verwertung als Buch, Zeitung, Tapete oder Hygieneartikel hinausgeht. Papier allerdings als Lautsprecherbahn zu nutzen, ist eine relativ junge Idee, die am Institut für Print- und Medientechnik der Technischen Universität Chemnitz entwickelt wurde.


  • Jacob Müller - TU Chemnitz
  • Die in eine Papierbahn eingebettete gedruckte Elektronik ermöglicht einen 360°-Surround-Sound. Die Töne, die im sogenannten "T-RING" erzeugt werden, kommen aus 56 gedruckten Einzellautsprechern, die auf der knapp vier Meter langen Kreisbahn zu sieben Segmenten verbunden sind.
  • Jacob Müller - TU Chemnitz
  • Dr. Georg C. Schmidt, Materialwissenschaftler an der TU Chemnitz und Entwickler des "T-Papers", an der Rolle-zu-Rolle-Druckmaschine für die rollengedruckten Papierlautsprecher.
Bringt man normales Papier mit der Hand zum Schwingen, klingt es recht dumpf – mehr als ein flatterndes Knittern holt der Mensch aus dem Material nicht heraus. Ganz anders hingegen verhält es sich, wenn ganz normales Papier mit zwei Schichten eines leitfähigen organischen Polymers als Elektroden bedruckt wird. Dazwischen kommt eine piezoelektrische Schicht als sogenanntes „aktives Element“, die das Papier schließlich in Schwingung versetzt und die Luft am Papier verdrängt. Genau so wird der Klang für uns Menschen hörbar. Nach dieser faszinierenden Methode hat das Team um Dr. Georg Schmidt an der Technischen Universität Chemnitz das rollengedruckte Lautsprecherpapier, kurz "T-Paper", entwickelt.

Von der Einzelbogen- zur Rollenfertigung 

Am Anfang des Prozesses hin zum rollengedruckten "T-Paper" stand im Jahr 2015 allerdings erstmal das mehrfach ausgezeichnete "T-Book" – ein großformatiger Bildband, der mit gedruckter Elektronik ausgestattet ist. Blättern interessierte Betrachter durch die Seiten, dann beginnen diese durch einen für das Auge unsichtbaren Lautsprecher im Inneren des Druckpapieres zu tönen: "Das T-Book ist ein Meilenstein in der Entwicklung gedruckter Elektronik", erklärt Prof. Dr. Arved Hübler in einer schriftlichen Mitteilung der Technischen Universität. Unter Hüblers Lehrstuhlleitung wird dieser Technologietrend nun schon seit rund zwanzig Jahren stetig weiterentwickelt und vorangetrieben. Da beim "T-Book" noch jede einzelne Seite in Bögen angefertigt werden musste, war die Herstellung eines Buches sehr aufwendig und zeitintensiv. Um die Effizienz des Verfahrens zu erhöhen, schlug das Institut für Print- und Medientechnik im Mai 2017 einen neuen Weg ein, der dem "T-Paper" schon den ersten Schritt hin zur kostengünstigen Massenproduktion wies. Dieser technologische Schritt wurde möglich, weil der Bund das Projekt mit rund 1,4 Millionen Euro förderte. Forscherinnen und Forscher aus sechs Nationen sowie den Wissenschaftsbereichen Printmedientechnik, Chemie, Physik, Akustik, Elektrotechnik und Wirtschaft waren an der Weiterentwicklung des rollengedruckten Lautsprecherpapiers beteiligt: "Durch diese Synergien konnten wir erst eine kontinuierliche, hochproduktive und sichere Rollenproduktion von Lautsprecherbahnen sicherstellen", berichtet Projektleiter Georg Schmidt und ergänzt, dass man die Förderung auch dazu genutzt habe, um die Prozessschritte der Fertigung zu verfeinern. So wurde beispielsweise die Laminierung des "T-Papers" wesentlich verbessert und eine komplette Inline-Prozessüberwachung der gedruckten Funktionsschichten möglich gemacht.

Surround-Sound-System aus 56 Lautsprechern

Wie das "T-Paper" in der Anwendung überzeugt, können Zuhörende bereits beim sogenannten "<link https: www.youtube.com external-link-new-window>T-Ring" erleben – eine knapp vier Meter lange Bahn mit 56 gedruckten Lautsprechern, die durch sieben Segmente miteinander verbunden sind und eine 360°-Surround-Sound-Installation bilden. Da die Konstruktion 90 Prozent aus normalen Papier besteht, ist sie sehr leicht und wiegt nur 150 Gramm. Der Vorteil dieser kreisförmigen "Sounddusche" besteht in ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeit bei Messen, in Museen und in der Werbebranche. Darüber hinaus kann man das "T-Paper" individuell bedrucken. Weitere Anwendungsmöglichkeiten des rollengedruckten Lautsprecherpapiers ist die homogene Beschallung weitläufiger Wegstrecken in Gebäuden und in der Prozesstechnik der digitalen Industrie. Auf die Frage, ob das "T-Paper" auch als Tapete eingesetzt werden könne, muss Georg Schmidt stets schmunzeln: "Unser Papier muss schwingen können, sonst erzeugt es keinen Klang. Klebt man es mit Kleister an die Wand, verpufft der technische Effekt." Man könne aber entsprechende Aufbauten anfertigen, erklärt Schmidt im <link https: www.youtube.com external-link-new-window>Galileo-Beitrag von Pro7 – alles Konzepte und Überlegungen, die derzeit in die Forschung am Chemnitzer Institut mit einfließen: "Wir versuchen gerade die akustischen und mechanischen Eigenschaften des "T-Paper" zu verbessern. Daher passt das Beispiel der Tapete gut: Wie können wir das "T-Paper" so integrieren, dass Bauraum und Soundqualität zu einander passt?", fragt Schmidt im Zusammenhang neuer Forschungsansätze und -projekte, die auch Fragestellungen rund um den Brandschutz klären sollen.

Die Zukunft der Raumgestaltung

Als Material der Zukunft hat das "T-Paper" durchaus großes Potenzial für die Raumgestaltung. So könnten größere, raumfüllende Konstruktionen des "T-Rings" beispielsweise Home-Kino-Systeme überflüssig machen und auch eine neue Form des Raumklangerlebens einläuten. Nicht umsonst forscht das Team des Institutes für Print- und Medientechnik gerade an der Möglichkeit, die Multikanaltechnik des "T-Paper" auszubauen: "Hier stehen wir aber noch am Anfang", erklärt Schmidt abschließend. Eine moderne Einrichtungsphilosophie – weg vom sperrigen, eckigen Schallwandler, hin zum flachen, dünnen Lautsprecherpapier – könnte das Wohnerlebnis in beengten Großstadtwohnungen revolutionieren. Nicht nur für Raumdesigner, sondern auch für Maler- und Lackierer, bieten sich hier ganz neuartige Zugänge zum Material "Papier", die einen interessanten Blick in die Zukunft geben: Wie wird die Gestaltung des Wohnraumes im Jahr 2040 aussehen?

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Redaktioneller Hinweis: Die Forschungsergebnisse zum "T-Paper" können auch in der wissenschaftlichen Zeitschrift <link https: onlinelibrary.wiley.com doi adma.202006437 external-link-new-window>"Advanced Materials" nachgelesen werden. Anmerkung: Der Beitrag wurde in Englisch verfasst.


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